Einführung
Uns ist das Wichtigste an Landart, die Natur intensiv zu erleben und dieses Geschenk auch anderen Menschen zu vermitteln. Dass dabei mitunter wirkungsvolle Werke entstehen, ist ein sehr erfreuliches „Nebenprodukt“. Wir sind von einer großen Liebe zur Natur beseelt und erfahren in ihr viel Stärkendes. In uns brennt ein Feuer für die ständigen Veränderungen, die Schönheit und Weisheit der Natur. Mit Landart können wir unsere Dankbarkeit für die Geheimnisse und Geschenke der Natur ausdrücken. Darüber hinaus prägen uns unsere pädagogischen, naturwissenschaftlichen, kreativen und therapeutischen Ausbildungen, die wir mit Landart in Verbindung bringen.
Nach wie vor sind wir sehr beeindruckt von den Werken des schottischen Landartkünstlers Andy Goldsworthy, der uns sehr inspiriert hat und mit dessen Ansatz und philosophisch-spirituellen Gedanken wir uns eng verbunden fühlen. Seine Liebe zur Natur und zu seiner Heimat, sein handwerkliches Geschick, sein ästhetisches Empfinden, seine Geduld, Ausdauer und Leidenschaft für Naturkunst beeindruckt uns immer wieder.
Unser Verständnis von Landart hat wenig zu tun mit den Ursprüngen des Begriffs, der die „Umwandlung von geographischem in architektonischen Raum“ (Wikipedia) bezeichnet und aus in einer gesellschaftskritischen Strömung der USA in den 1960er Jahren entstanden ist. Im Zuge dieser Landart griffen die Künstler auch mit Bulldozern und Planierraupen in unberührte Naturräume ein, um diese umzugestalten. Man wollte dem Besitzbürgertum, das die bildende Kunst nur als Spekulationsobjekt betrachtete, durch die nicht transportierbare Kunst in der Landschaft kein neues Konsumgut geben. So grub der Künstler Michael Heizer im Jahr 1969 mit Bulldozern und Dynamit zwei neun Meter breite und 15 Meter tiefe, exakt lineare Einschnitte mit einer Gesamtlänge von mehr als 450 Metern in die Erosionskante einer wüstenartigen Hochebene bei Las Vegas. 240.000 Tonnen Gestein ließ er dafür bewegen.
Ab und zu kommen in unsere Workshops Teilnehmer, die einen hohen künstlerischen Anspruch an sich haben und sehr bemüht sind, „echte“ Landart zu gestalten, also wirkliche „Kunst“ und weniger Landart im Rahmen von „umweltpädagogischem Firlefanz“. Doch was ist Kunst? Ist sie nur Genies wie Leonard da Vinci vorbehalten? Joseph Beuys prägte den Satz, dass „jeder Mensch ein Künstler ist“. Dies ist auch unser Verständnis: Kunst ist das Ergebnis eines jeglichen kreativen Prozesses, gerade bei Landart auch der Prozess selbst. Kunst ist für uns das Zusammenwirken von Handwerkszeug, Intuition, ästhetischem Empfinden, Wahrnehmung, Ausdrucksfähigkeit, Kreativität und dem Zufall.
Landart ist eine Kunst, bei der die Seele mitwachsen oder auch baumeln kann. Die Freude am eigenen Tun und das Erleben der Natur ist uns wichtiger, als etwas vollkommen Neues in höchster künstlerischer oder handwerklicher Perfektion zu schaffen. Die natürliche Ästhetik des Materials und ein spielerischer Zugang zur Natur lassen immer wieder neue Ideen entstehen, die zum Bauen herausfordern. Manchmal spüren wir die Geheimnisse eines Ortes erst, wenn wir uns Zeit nehmen, ihn zu entdecken und uns auf die Natur einzulassen. Wenn es uns gelingt, die oft unscheinbaren aber prägenden Besonderheiten der Umgebung in unsere Landart einzubeziehen, wirken unsere Werke besonders faszinierend. Bei Landart gibt es kein richtig oder falsch, auch keine Noten oder andere Bewertungen. Die Blätter gehen nie aus, die Federn werden nicht stumpf, Farben trocknen nicht ein, der Radierer ist die Hand, Material gibt es in Hülle und Fülle. Allerdings kann man nass werden und die Werke selten in die Hosentasche packen. Landart ist für uns eine bunte, erlebnisreiche Kunst aus einer Mischung von Natur erfahren und erkunden, Abenteuerspiel und bauen dort, wo einem frischer Wind um die Nase weht. Landart ist dennoch mit Worten nicht ganz zu beschreiben, es ist mehr als die Summe der genannten Teile. Dieses „Mehr“ gilt es selbst zu erleben.